Wie entstehen Innovationen? Dafür gibt es kein Rezept, aber eine Definition: Innovation ist die praktische Umsetzung von Ideen und dient zur Veränderung, Verbesserung oder Umverteilung von beispielsweise Produkten, Systemen oder Dienstleistungen. Das heißt, eine Innovation ist das Endprodukt, dem ein langer, oftmals sehr individueller Prozess vorausgeht. Am Anfang einer Innovation steht die Invention, die (Neu-)erfindung eines Produktes. Erst nach der Invention beginnt der Prozess der Umwandlung in die reale Welt, der meistens mit der Exnovation beginnen muss, mit dem Loslassen von Altem, um inneren und äußeren Raum zu schaffen. Ich möchte euch erzählen, wie eine Invention bei uns am Frühstückstisch geboren wurde.
Im Mai diesen Jahres waren wir uns einig: Wir brauchen ein neues Produkt.
Nehmen wir diesen simplen, aber vielschichtigen Satz doch mal auseinander:
Wir, das sechsköpfige Team der Working Evolutions, welches Hilfestellungen für Organisationen entwickelt, die wertebasiert arbeiten (wollen).
Brauchen: um nächstes Jahr auf finanziell unabhängigen Start-up Beinen zu stehen, brauchen wir etwas, das uns finanziell und sinnvoll trägt.
Ein neues: Der Fokus liegt auf jetzt und Zukunft. Wer sind wir, was wollen wir und was kann Neues aus uns entstehen?
Produkt: in diesem Fall eine Innovation, denn wir wollen nicht kopieren, beraten oder Dinge tun, die uns nicht sinnvoll vorkommen. Wir brauchen etwas, das unsere Leidenschaft umfasst, unsere Werte und Ideale. Wir wollen uns nicht verkaufen sondern einen echten Beitrag leisten und unserem Sinn radikal treu sein.
Wir arbeiten in Rollen, das heißt nur eine Person hat die Verantwortung, den Prozess für die Ideenfindung voranzutreiben. In diesem Falle bin ich das. Ich fing also beim WIR an: in Einzelmeetings frage ich jede:n, wofür denn ihre oder seine Leidenschaft brennt, wo gesellschaftliche Werte und Sehnsüchte liegen und wenn sie groß denken, was sie denn tun wollen würden. Die Antworten gingen über eine Gerechtigkeits-Revolution über die radikale Systemänderung im Amtswesen über Wertschöpfungsketten und eine Bildungsreform mithilfe von Angsttherapie und das radikale Abschaffen von Organisationen. Ich sammelte alle Sehnsüchte, Ideale, Werte und Leidenschaften und fasste sie auf einem Dokument zusammen. Ich hatte die Hoffnung, dass sich aus all dem schon etwas finden würde, das sich nach Innovation anfühlt. Meine Methode ging nicht auf - ich hatte zwar eine Menge Informationen und Möglichkeiten, aber daraus ergab sich keine Richtung, geschweige denn eine Idee. Ich setzte auf Zeit und dachte, mir fällt schon etwas ein. (Das würde ich euch nicht empfehlen, weil es nicht funktioniert. Eine Idee kommt nicht von allein, sondern nur durch aktives Tun, Denken, Fragen, Diskutieren, Brainstormen, Träumen, ...)
Als mir nichts einfiel, brach sich Monia den Fuß und ich befand mich gerade in Deutschland. Also fuhr ich nach Brandenburg, um ihr mit Haus, Hunden und Hühnern zu helfen. Wir frühstückten jeden Tag ausgiebig und sie fragte mich, wann ich denn bereit wäre, über unsere noch nicht geborene Invention zu sprechen. Ich fühlte sehr viel Druck und ein bisschen Angst, mir würde nichts einfallen. Wir besprachen alles, was uns in die Köpfe kam, aber das war alles schon erfunden oder nicht wirklich etwas, was spontane Begeisterung entfachte. Wir brauchten eine andere Strategie und rückwirkend fühlte es sich an wie der U-Prozess von Otto Scharmer (siehe Grafik unten).
Denn bevor irgendwas in mir entstehen konnte, musste ich erstmal alles loslassen, was mich von einer wahren Invention anhielt: nicht (sehr, sehr) groß-denken wollen, nur in den Mustern denken, die ich schon kenne, gedanklich mit den Ressourcen spielen, die wir gerade haben. Ein paar Tage vergingen. Als ich ein bisschen am Verzweifeln war, weil mir einfach nichts einfiel, fragte Monia die Wunderfrage (die tatsächlich so heißt): Angenommen, es würde in der kommenden Nacht ein Wunder geschehen. Am kommenden Morgen wäre dein Problem gelöst oder verschwunden: Woran würdest du dieses Wunder bemerken? Wie sieht deine Welt aus?
Und plötzlich, wie beim U-Prozess von Otto Scharmer, kam ein glasklares Bild in mir hervor, was es braucht, um eine bessere, gerechtere, sinnvollere und glücklichere Welt zu schaffen, denn das war meine Antwort auf die Wunderfrage. Monia stellte mir alle möglichen Wie und Was-Fragen und ich hatte zu allen eine Antwort. Meine Idee passte perfekt in unser Meaning, zu unseren Werten, zu uns und zum Zeitgeist. Eine Invention wurde geboren! Ich verrate noch nicht viel, aber wir gehen in diesem Moment über in die Verwirklichung, sodass aus Ratlosigkeit, Loslassen, Innehalten und Kommenlassen eine Innovation entstehen kann.
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