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AutorenbildJenny

Working Evolutions - gelebter Wandel

Wir verändern uns - wir befreien unsere Organisation … befreien wir sie und was macht das mit uns? Wirre erste Gedanken, die sich auf eine große Veränderung beziehen, die der Working Evolutions ab dem 1. Juli bevorsteht. Denn ab diesem Zeitpunkt gibt es keine Angestellten mehr. Unsere letzten Aufträge enden im Juni, wir haben keine neuen Projekte generiert und die Gehälter von rund 10.000€ im Monat können nicht mehr gezahlt werden.


Wandeln in Trauerphasen

Wir sind schon seit über einem halben Jahr darauf zugesteuert und trotzdem fühlt es sich nochmal anders an, wenn das Ende des wohlbekannten Zustandes kurz bevorsteht. Wir sind durch Phasen der Trauer gegangen: Wir wollten es nicht wahrhaben und haben uns gegenseitig versichert, dass schon noch irgendetwas Neues reinkommt und wir nur ein wenig Geduld haben müssen. Wir haben uns gewehrt und versucht mit bewährten Methoden Aufträge zu bekommen, auf die wir keine Lust gehabt, die uns aber ein paar mehr Monate Einkommen gebracht hätten. Hierbei mussten wir uns mit den aufkommenden Emotionen auseinandersetzen und immer wieder abgleichen, was Sicherheit für jede*n Einzelne*n von uns bedeutet und wo die Grenzen des Ertragbaren sind. Wir haben Abschied genommen - jede*r auf ihre*seine Weise. Einzelne von uns mit viel Aktivität, mit großen Aufräum- und Loslassen-Momenten, andere mit Stille und innerer Einkehr und der Gewissheit, dass das Bevorstehende nicht das mindert, was wir in den letzten Jahren erlebt und manchmal auch schmerzhaft gelernt haben. Und wir haben damit begonnen, uns auf uns selbst zu beziehen, miteinander zu teilen, was es mit uns macht, dass wir bald keine Angestellten mehr sind … was es mit der Organisation macht und wo sich jede*r von uns zukünftig sieht. Sind wir noch Teil der Working Evolutions, wenn wir nicht mehr angestellt sind? Tragen wir den Spirit nicht schon längst in uns und verkörpern, was wir dank der Working Evolutions gelernt haben? Die letzte Phase des inneren Friedens haben wir wohl noch nicht erreicht … doch wir bleiben in Bewegung.


Befreien und Ausatmen

Monia, die sich im vergangenen Jahr bereits aus der aktiven Mitarbeit in der Working Evolutions zurückgezogen hat, hat uns in einem Zoom-Meeting auf ganz neue Ideen gebracht. Raus aus dem Schreck-Szenario „Wie kommen wir jetzt an Geld, um unseren status quo zu bewahren?“ hin zu dem, was der eigentliche Sinn und die Daseinsberechtigung unserer Organisation ist: Einen Beitrag leisten, um die Arbeitswelt zu transformieren. Mir ist mit Schrecken bewusst geworden, dass das bei mir in den vergangenen Wochen hinten runter gefallen ist. Zu groß war die Versuchung, in Aktionismus zu verfallen und zu gering die Momente des Innehaltens und Reflektierens: Ist das, was ich da gerade mache, wirklich das, was der Organisation dient? In unserer Verfassung ist dies der erste und wohl mit wichtigste Paragraf und jetzt erkenne ich mehr und mehr, dass meine Bemühungen sich nicht immer daran ausgerichtet haben. Monias Satz „Für die Organisation ist es befreiend, nicht mehr jeden Monat 10.000€ erwirtschaften zu müssen, damit eure Gehälter gezahlt werden können“ hängt mir nach und ich erkenne die Schönheit in dieser Tatsache. Denn, ja, es ist eine Befreiung, nicht mehr Projekte und Aufträge annehmen zu müssen, damit Angestellte davon bezahlt werden können. Es ist befreiend, aus dem Hamsterrad der Wirtschaftlichkeit austreten zu können und geschehen zu lassen, was geschehen soll. Das die Working Evolutions ihrem Daseinszweck dienen kann und nicht jede Aktion, jeder Auftrag, der ausgeschlagen wird, Auswirkungen auf die Angestellten hat. Und das mindert in keiner Weise die damit einhergehenden Momente der Trauer: Jede*r Einzelne in unserer Organisation ist nun gefordert, hinzuschauen und sich zu fragen „Welche Rolle nehme ich noch ein, wenn ich nicht mehr angestellt bin? Will ich überhaupt noch eine Rolle spielen? Wechsel ich die Position und werde Gesellschafter*in? Danke ich der Organisation und verabschiede mich?“.


Mit dem Jetzt sein

Ähnlich wie der Moment, in dem man erfährt, man ist schwanger, ist der Moment in dem man realisiert, es geht etwas zu Ende, kaum der Geeignetste. Hätte, könnte, wäre, …. Zu stark ist die Versuchung, zu relativieren, Schuldige zu finden, die verantwortlich sind oder wegzuschauen und sich nicht der eigenen Verantwortung zu stellen. Nun ist der Zeitpunkt aber gekommen - ja, gerade jetzt, wo wir mit Minimalistisch Arbeiten die Geburt eines neuen Projekts gemeistert haben. Ja, gerade jetzt, wo wir im Außen mehr wahrgenommen werden, wo wir unabhängig von unserer Sichtbarkeit in der Lausitz auch auf anderen Hochzeiten mittanzen dürfen. Ja, gerade jetzt, wo wir Kapazitäten und Lust auf neue Aufträge hätten. Jetzt stellen wir uns den Tatsachen: Die Working Evolutions wird es dank dem guten und vorausschauenden Handelns der Gesellschafter*innen und unserem Geschäftsführer Heiko noch zwei Jahre formell geben. Es wurde Geld zurückgelegt, damit die Kosten, die für den Erhalt einer Organisation anfallen, gedeckt werden können - damit auch die Buchhalterin weiter bezahlt werden kann. Auch Heiko hat sich bereit erklärt, die Rolle des Geschäftsführers noch bis Ende 2023 zu behalten.


Mutig vorangehen

Alles andere ist offen - eine weiße Fläche, die bemalt werden will. Wir haben nun die Freiheit, selbst zu gestalten und uns nicht mehr hinter der Rolle der*des Angestellten zu „verstecken“. Wir können selbst Gesellschafter*innen werden. Wir können mit anderen zusammengehen und die Working Evolutions in eine Trägerinstitution umwandeln, unter deren Dach sich verschiedene Menschen und Organisationen tummeln. Wir können die gGmbH dicht machen und der Working Evolutions das Licht ausknipsen. Für mich selbst ist letztgenanntes Szenario keine Option. Ich bin (noch) nicht bereit, „meine“ Organisation aufzugeben, die Ideale, denen ich mich bei Eintritt in die Organisation verschrieben habe, an den Nagel zu hängen und zu akzeptieren, dass das Ende des Angestelltenverhältnisses auch das Ende der Organisation bedeuten soll. Seit ein paar Tagen habe ich neue Hoffnung geschöpft und greife aus - nach Menschen, die sich ebenfalls New Work verschrieben haben und mit denen ich im Austausch sein möchte. Ich plane die Beteiligung der Working Evolutions an Kongressen und Festivals im September und spreche mit einer Selbstverständlichkeit davon, dass wir auch zu diesem Zeitpunkt existieren. Ja, ich möchte mit der Working Evolutions den Schritt ins Unbekannte wagen. Ich wünsche mir, dass neue Projekte ins Haus flattern, dass wir Aufträge bekommen und zukünftig als Selbstständige an diesen Projekten arbeiten - unter dem Dach der Working Evolutions. Gern gebe ich der Organisation dann 10 oder 20 Prozent ab, wenn ich dafür weiterhin die Möglichkeit habe, mit anderen tollen Kolleg*innen im Kontakt und im Schaffensprozess bleiben zu können. Denn für mich lebt die Working Evolutions das, wofür sie vor drei Jahren in die Welt gekommen ist: Ein Selbstexperiment, dass uns die Freiheit gibt, sich auszuprobieren, Selbstorganisation wirklich zu erleben und zu fühlen, Grenzen dort setzt, wo es gesund ist und sich freut, wenn Rollen übernommen aber auch wieder abgegeben werden. Und jetzt, ja, jetzt gerade wandelt sie sich wieder und ich bin dankbar, nicht nur dabei sein sondern aktiv mitgestalten zu können.


Wenn ihr Fragen an uns habt, eure Gedanken zu diesem Beitrag mit uns teilen oder mit uns gemeinsam etwas auf die Beine stellen wollt, dann meldet euch bei uns: kontakt@working-evolutions.org .


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